Eine Kette verschiedener Düfte prickelte in meiner
Nase. Üppig lagen die Mittagsangebote an den Eingängen der Lokale
ausgebreitet. Nach einem typischen spanischen Gericht mit Nachtisch,
natürlich ‘Flan’, bummelte ich durch die schmalen Gassen der
Innenstadt. Es war inzwischen Siestazeit geworden, das Strassenleben
war für ein paar Stunden eingestellt. Wäre da nicht das Lokal an dem
das Wort ‘Varieté’ in teils kaputten Neonröhren stand. Das
Nachmittagsprogramm fing um drei Uhr an. Nachdem ich die Tür hinter mir
schloss, saß ich dort wie in einem Film aus den dreissiger Jahren. Die
Kellner mit fettem Smokingjäckchen brachten Kaffee und Cognac an die
Tische, die nur von Männern besetzt waren. Ihre Gesichter waren nach
vielen Jahren stumpfem Rennen durch die Menge verblasst. Es erinnerte
mich an die Gesichter von Anbietern, die in einem bunten Häuschen auf
der Kirmes die Karten verkaufen. Als das Lokal reichlich gefüllt war,
wurden die Aussentüren verschlossen und das Hauptprogramm fing an. Das
Durchschnittsalter war über Sechzig. Meist Männer von ausserhalb, die
nach dem Tiermarkt die grosse Welt schnuppern wollten. Mit flachem
Hütchen und natürlich mit Stock. Der Zigarrenrauch ersetzte die
Nebelmaschine. Die dicken Vorhänge wurden mit lautem Applaus ge-öffnet.
Das Orchester bestand aus einem Pianisten, der auf einem alten Stuhl
mit Kissen saß. Der Saxofonist hatte ein durchlebtes Instrument und
spielte nicht ganz sauber. Der Bassist hing an seinem Instrument. Das
Bühnenbild bestand aus einem riesigen Gemälde welches ferne Strände mit
Palmen darstellte. Es wurde teils zusammengehalten durch braunes
Klebeband. Dann kam der Höhepunkt. Die angekündigte Diva schritt aufs
Parkett, sie sang routiniert und bedacht auf die Scheine, welche die
alten Männer ihr gern in Ihrem Obstkorb steckten. Die Männer taumelten
und tanzten vor der Bühne. In der Pause wurde Zigarre geraucht, die
schwitzenden Kellner rannten mit Tabletts auf denen heisser Kaffee
serviert, und der Rum aus der Flasche im vorbeigehen eingeschenkt
wurde. Wie Al Capone in Aragon fühlte ich mich und es wurde mir doch
ein bisschen mulmig bei dem Gedanken, dass die Aussentür verschlossen
war. Alte Schilder erinnerten daran dass fotografieren verboten war.
Das Finale wurde eingeläutet mit einem verschrobenen Flamencotanz und
die obscure Dame entblätterte sich ein wenig vor der schreienden und
mit Stöcken auf die Bühne schlagenden Bauern. Sie verloren jede
Fassung. Einer nach dem anderen versuchte die Bühne zu erklimmen und
fiel auf das harte Parkett. Die Lieder gingen über Herz, Tauben und
Schmerz. Nach anderthalb Stunden war der Traum von anderen Welten
vorbei. Die Peseten wurden von Tisch zu Tisch zusammengerechnet und die
Türen wie eine Befreiungsgeste alle gleichzeitig geöffnet. Einer
Schafherde gleich drängelte sich die Meute in die kleine Gasse,
verteilte sich lallend und lachend auf den Weg nach Irgendwo. Eine
blendende Sonne brannte in meine zugekniffenen Augen. Die Wärme
überfiel mich wie eine dicke Decke. Eine Nacht am Nachmittag.
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................................. 1967 - Erschien Gedichtenband "Wij Zien"t Ateliergemeenschap Loosduinen, Den Haag - Holland